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Die Rolle des Gebets im Familienalltag

Anregungen und Reflexionen aus der Praxis

von Dorothee Wanzek

Wer christliches Familienleben nicht auf den Sonntagskirchgang beschränken möchte, findet im neuen Gotteslob viele Hilfen. Den Verfassern ging es weniger darum, dass Familien sich fortan möglichst genau an die dortigen Gebets- und Andachtstextvorlagen halten. Sie wollen vielmehr Mut machen, die eigene Familie als einen Ort der Gottsuche und Gottesbegegnung zu entdecken.

Im Ausreden-Erfinden stehen wir Eltern unseren Schulkindern manchmal kaum nach. »In der Familie eine kleine Andacht halten?« – »Das überlasse ich lieber dem Pfarrer, der kennt sich da besser aus.« »Meine Kinder sind viel zu zappelig.« »Mein Mann ist doch nicht kirchlich.« … Vielleicht braucht es in dieser Frage hin und wieder einfach nur den berühmten kleinen Ruck, ich meine jetzt nicht den, der durch Deutschland gehen muss, sondern einen von der Sorte, die man sich nur selber geben kann.

Rituale können Entlastung bringen

Erfahrungsgemäß sinkt die beim Ruck einzusetzende Energie in dem Maße, wie wir auf Regelmäßigkeit setzen. Sobald eine Gebetszeit als Ritual eingeführt ist, entfallen die zeitraubenden und stets unerquicklichen Erwägungen, ob gerade der richtige Zeitpunkt ist oder die Zahl der potenziellen Teilnehmer und die Höhe des Lustpegels ausreichend sind. In unserer Familie hat sich ein regelmäßiges gemeinsames Abendgebet bewährt, in dem die schönen und belastenden Ereignisse des zu Ende gehenden Tages vor Gott ausgebreitet werden und wir ihm all die Menschen anvertrauen, von denen wir annehmen, dass sie seine Unterstützung gerade besonders gut gebrauchen können.

Gerade die jüngeren Kinder sind dabei sehr aufmerksam und legen eine Beständigkeit an den Tag, die uns Eltern immer wieder überrascht. Seit drei Monaten schon fehlt in keinem der Abendgebete der krebskranke Fünfjährige, dem unsere Jüngste begegnet war. Der Zweitjüngste bringt immer wieder Notlagen ins Gebet, auf die er bei der Zeitungslektüre gestoßen ist. Familienidylle sind unsere abendlichen Gebetszeiten beileibe nicht.

Es kommt nicht selten vor, dass der eine oder andere der jüngeren Teilnehmer schon so müde und überdreht ist, dass besinnliche Andacht gar nicht aufkommen will. Zuweilen entscheiden wir dann, das Abendgebet mit jedem Kind einzeln an der Bettkante zu machen. Manchmal schaffen es die Kinder in diesem Stadium aber noch, sich miteinander auf eine gesungene Variante des Gebetes einzulassen. Zum Beispiel singen wir das Lied »Danke für diesen guten Abend« und fügen ein paar Strophen mit den Anliegen des Tages hinzu.

 

Die Chance des gegenwärtigen Augenblicks nutzen

Neben Regelmäßigkeit scheint mir für das Glaubensleben in der Familie noch etwas anderes wichtig: Spontaneität, Aufmerksamkeit für die Gelegenheiten, die sich im Augenblick ergeben. Das Gebet in jeder Lebenslage, für das auch sehr kleine Kinder schon empfänglich sind, ist das Stoßgebet. Es trainiert, mit einem veränderten, weiteren Blickwinkel auf die Welt zu schauen. Natürlich können wir uns nach brenzlichen Verkehrssituationen lange bei der Frage aufhalten, wer Schuld gehabt hätte und warum wohl sich manche Verkehrsteilnehmer so verhalten.

Wir können uns aber auch angewöhnen zu beten: »Wir sind alle heil herausgekommen. Danke, lieber Gott, dass du uns beschützt hast.«
Gott zu danken, wenn uns etwas besonders gut gelungen ist, bewahrt nicht zuletzt vor Selbstüberschätzung. Ebenso können wir um Hilfe oder Kraft zum Neuanfang bitten, wenn etwas misslungen ist, wenn wir uns gestritten haben, wenn wir etwas dringend Benötigtes verlegt haben oder wenn wir mit einer Situation überfordert sind.

Besonders im Kindergarten- und Grundschulalter hatten unsere Kinder und sogar ihre ungetauften Freunde einen wachen Sinn für alles, was Menschen aus dem Bedürfnis heraus geschaffen haben, Gott zu ehren. Wenn wir Erwachsenen solche Augenblicke der inneren Ergriffenheit wahrnehmen und daran anknüpfen, geben wir ihnen Gelegenheit, in ihrer Gottesbeziehung zu wachsen. In unserem jüngsten Alpenurlaub gab es viele solcher Momente. Voller Freude entdeckten die Kinder die zahlreichen Marienbildstöcke, die Menschen mitten im Wald aufgestellt hatten und legten Wert darauf, dass wir an keinem von ihnen einfach achtlos vorbeigingen.

Mehrmals waren wir mittags in Hörweite eines Dorfkirchleins, in dem die Glocken läuteten, und eines der Kinder bestand dann jedesmal darauf, dass wir gemeinsam das Gebet »Engel des Herrn« beteten. In einer offenen Kirche, in der wir ganz allein waren, haben wir spontan Loblieder gesungen und uns dabei nicht nur an dem schönen Hall des Gotteshauses, sondern auch an der außergewöhnlichen Gebetsatmospäre gefreut.

Im Vorschulalter hatte jedes der Kinder seine »Friedhofsphase«, in der es nicht genug davon bekommen konnte, über den Friedhof unseres Dorfes zu gehen und sich an jedem Grab nach dem Leben dessen zu erkundigen, der darin lag. Daraus ergaben sich viele Gespräche über Gott und die Welt, Himmel und Erde und immer ein Gebet für die Verstorbenen, über die wir uns unterhalten hatten.

Sich mit anderen Familien zusammentun

Hilfreich für das Glaubensleben in der Familie scheint es mir auch, Gemeinsamkeit über die eigene Familie hinaus zu suchen. Es tut gerade den heranwachsenden Kindern gut, nicht nur die eigenen Eltern, sondern auch Oma und Opa, Bekannte und Freunde der Eltern als Beter zu erleben. Es bestärkt sie, Mitglieder der eigenen Gemeinde nicht nur sonntags in der Kirche beten zu sehen. Gute Erfahrungen haben wir in unserer Gemeinde gemacht, als wir einige Jahre lang in der Adventszeit den Brauch des »Frauentragens« pflegten, bei dem eine adventliche Mariendarstellung von Haus zu Haus weitergereicht wird. Dabei kam es zu gegenseitigen Besuchen mit einigen Gemeindemitgliedern, von denen wir zuvor nur Namen und Gesichter gekannt hatten.

In unseren Wohnungen haben wir zusammen gebetet, gesungen, über unseren Glauben gesprochen und einen kleinen Imbiss gehalten.
Das Bewusstsein für unsere Zusammengehörigkeit ist damals gewachsen und bleibt in vielen kleinen Zeichen der Zuwendung und Anteilnahme bis heute spürbar. Wir hoffen, dass diese Erfahrungen auch für unsere Kinder prägend sind: Wir teilen nicht einfach nur unsere Gewohnheit, an einer sonntäglichen Zeremonie teilzunehmen. Wir gehören zusammen, weil wir daran glauben, dass Gott in unserer Mitte lebt.

Quelle:

Sonderbeilage »Lebendig mitfeiern. Das neue Gotteslob ist da», S. 8f., in: Tag des Herrn, Nr. 37 vom 15. September 2013.

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