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»Der Mond ist aufgegangen«

Der Mond ist aufgegangen (Gotteslob Nr. 93): Symptomatisch für die Sensibilität des neuen Gotteslobes gegenüber bedeutender Dichtung ist die neue Aufnahme des alten Liedes »Der Mond ist aufgegangen«, welches wir Katholiken bisher meist nicht mit dem Gesangbuch in Verbindung brachten.

An diesem wunderbaren Gedicht von Matthias Claudius ist zu ermessen, wie sehr ein heute »weltliches« Volkslied geistliche Dichtung sein kann und die Trennung der beiden Sphären (geistlich-weltlich) aufhebt.

Bevor es scheinbar erst in der 5. Strophe um »Gott« geht, wird das Lied von zwei wunderbar betrachtenden Strophen eingeleitet, um dann in der 3. Strophe mit dem Text

»Seht ihr den Mond dort stehen? / Er ist nur halb zu sehen / und ist doch rund und schön. / So sind wohl manche Sachen, / die wir getrost belachen, / weil unsre Augen sie nicht sehn«

den selbstgewissen und halbgebildeten Zeitgenossen einen Spiegel vorzuhalten.

In der folgenden Strophe geht es dann tatsächlich um »wir stolzen Menschenkinder« … »wir spinnen Luftgespinste …. und kommen weiter von dem Ziel«. Woraufhin die Anrufung folgt: »Gott, lass uns dein Heil schauen«, und »lass uns einfältig werden / und vor dir hier auf Erden / wie Kinder fromm und fröhlich sein«.

Ein großer Dichter schreibt hier wie im Geiste des Pfarrers von Ars. Nach der Bitte der 6. Strophe »lass uns in´ Himmel kommen« sind die letzten Worte – direkt vor dem Schlaf – »und lass uns ruhig schlafen / und unsern kranken Nachbarn auch« ein Zubettgehen mit der Fürbitte um den kranken Nachbarn.

Mich berührt dieses Lied, und meine Frau und ich singen es oft abends am Bett der Kinder. – Das neue Gotteslob vereint die wünschenswerte Aufnahme neuerer Lieder mit einer gestiegenen Sensibilität gegenüber alten Liedern und Texten. So wurde manche Textglättung rückgängig gemacht und manche gestrichene Strophe ist wieder da. Wie schön!

Quelle:

Sonderbeilage »Mein Lieblingslied. Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen«, S. 6, in: Tag des Herrn, Nr. 37 vom 15. September 2013.